Heinz Düx, geboren 1924 in Marburg/Lahn, distanzierter Insider der bundesdeutschen Justiz und radikaldemokratischer Außenseiter der politischen Publizistik, gehört zu den herausragenden demokratischen Juristen und Antifaschisten der Bundesrepublik. Die vom Marburger Historiker Friedrich-Martin Balzer besorgte Gesamtausgabe seiner Schriften (1948-2013) erlaubt Antworten auf die Frage: „Was für ein Staat war die BRD?“. Sie enthält Beiträge zum Verständnis der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, über Irrwege, Kontinuitäten und Bruchstellen. Sie nimmt Stellung zu den verpaßten und verhinderten Gelegenheiten zur Erneuerung von Justiz und Demokratie in Westdeutschland. Der Anschluß an westliche Demokratietraditionen blieb Stückwerk.

Soweit sich die Gegenstände seines wissenschaftlichen und publizistischen Wirkens auf die Rolle der Justiz im Kaiserreich (u.a. mit seiner bisher unveröffentlichten Dissertation aus dem Jahre 1948 über „Die freie Gewerkschaftsbewegung, ihr Wesen und ihr Einfluß auf die Rechtsentwicklung von der Gründung bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs“), in der Weimarer Republik und dem Nazi-Regime beziehen, stellt die vorliegende Sammelschrift auch einen Beitrag zum deutschen Sonderweg dar. Der Sonderweg der deutschen Geschichte war mit dem 8. Mai 1945 keineswegs beendet.

Als Widersacher des „Strafvereitelungskartells“ (Ingo Müller) aller drei Staatsgewalten gegenüber den Tätern und als Verfechter der „Wiedergutmachung“ gegenüber allen Opfern des Nazi-Regimes, u.a. als Sachverständiger bei drei Anhörungen des Deutschen Bundestages, stellt Düx einen Orientierungspunkt in einer Zeit ohne Leitfiguren für die seit 1968 nachwachsende Generation fortschrittlicher Juristen dar. Als Untersuchungsrichter im Frankfurter Auschwitz-Prozeß und als Vorsitzender Richter am Frankfurter Oberlandesgericht stellt Düx eine Ausnahmeerscheinung der bundesdeutschen Justizszene dar und ist zu einem der wenigen Motoren bei der juristischen Aufarbeitung des deutschen Faschismus geworden. 

Obwohl zeitweise mit der KPD, der Gewerkschaft ÖTV, der SPD, der VVN/BdA, der Fédération Internationale des Résistants (FIR) und der Vereinigung demokratischer Juristen assoziiert, bleibt Düx ein Einzelkämpfer, so der zutreffende Titel des Films von Wilhelm Rösing „Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx“ (2011). Für Düx ist seine Organisationszugehörigkeit keine dauerhafte politische Heimat, sondern eine zeitlich begrenzte Operationsbasis. Bei all seinen gesellschaftlichen Kontakten bleibt er ein kämpferischer Individualist.

Zusammen mit dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) stellt Düx eine singuläre und irreguläre Erscheinung von historischem Rang dar, die aufgrund ihres berufsbezogenen Engagements in Praxis und Theorie einen relevanten Platz in der Nachkriegsgeschichte nach 1945 einnimmt. Mit Gotthold Ephraim Lessing muß jedoch gesagt werden: Düx will weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.



Ein Ausnahmejurist

Das Gesamtwerk von Heinz Düx liegt nun in einem Band vor

Von Erich Buchholz

Dem Marburger Historiker Friedrich-Martin Balzer gelingt es wieder einmal, mit einem von ihm herausgegebenen Buch eine Persönlichkeit der Öffentlichkeit vorzustellen, die besondere Aufmerksamkeit verdient: »Heinz Düx. Justiz und Demokratie. Anspruch und Realität in Westdeutschland nach 1945«. Auch wer keine Kenntnisse von Justiz in diesem Land hat, weiß, daß sich die westdeutsche – im krassen Gegensatz zu der in Ostdeutschland – nach 1945 maßgeblich aus dem Personal rekrutierte, das Hitler gedient hatte. Artikel 131 des Grundgesetzes, der die Rechtsansprüche »früherer Angehöriger des öffentlichen Dienstes« sicherte, bewirkte unter anderem, daß an vielen Gerichten der BRD mehr frühere Mitglieder der NSDAP tätig waren als vor 1945. Sie wirkten im gleichen Geist wie vor 1945 – von der Adenauerschen Kommunistenverfolgung in den 50er Jahren bis zu deren Neuauflage in Gestalt der rechtswidrigen, gegen den Einigungsvertrag verstoßenden Drangsalierung von DDR-Bürgern durch die »Schüler« jener Richter und Staatsanwälte.

Fundgrube

Heinz Düx war aus anderem Holz geschnitzt. Bereits in der Einleitung Balzers unter dem Titel »Heinz Düx, demokratischer Jurist und Antifaschist« erfährt der Leser von einem außergewöhnlichen Lebenslauf. […] Die biographische Skizze läßt seine Haltung zum Recht, zur Demokratie und zum Faschismus erkennen: Er gehörte zu den herausragenden demokratischen Juristen und Antifaschisten der BRD.

Einzelkämpfer

Das von Balzer edierte, nahezu tausend Seiten umfassende Werk mit 203 Arbeiten von Düx öffnet dem Leser Einblicke in dessen publizistisches Wirken. Der Bogen reicht im ersten Teil des Bandes von der Dissertation bis zu einem »Rückblick nach mehr als fünfzig Jahren« unter dem Titel »Die Beschützer der willigen Vollstrecker. Persönliche Innenansichten der bundesdeutschen Justiz«. Der zweite Teil trägt die Überschrift: »Ein Leben für die juristische Bewältigung der faschistischen Verbrechen, für Rehabilitierung und Entschädigung für Opfer des deutschen Faschismus«. Unter dem Titel »Kritischer Kommentator der bundesdeutschen Geschichte« finden sich im dritten Teil Texte zum Thema »Antifaschismus«, in denen z. B. das Potsdamer Abkommen als »Tor zur Demokratie« und als nach wie vor aktuelles und verbindliches Recht gewürdigt wird. Es folgen Texte zu »Frieden durch Abrüstung und Entspannung«, »Verfassungsrecht« und »Zur Deutschen Frage«. In ihnen setzt sich Düx auch damit auseinander, wie sich das Bundesverfassungsgericht im KPD-Verbotsprozeß über eine mögliche »Wiedervereinigung« äußerte. […]

Dem Herausgeber gebührt Dank für die Riesenarbeit dieser vorzüglich gelungenen »Ausgrabung«. Das Ergebnis verdient Beachtung unter allen fortschrittlichen Juristen, insbesondere solchen, die in der DDR gewirkt haben und denen das Leben und Werk von Düx unbekannt blieb. Seriöse Geschichtsschreibung wird die Geschichte der Bundesrepublik nicht behandeln können, ohne auf die Analysen, die hier versammelt sind, zurückzugreifen.

In: junge Welt vom 16. Dezember 2013, S. 15


Ein antifaschistischer Jurist

Von Ulrich Schneider

[…] Bis in die letzten Texte und Interviews dieser Dokumentation kreist seine Beschäftigung um den Frankfurter Auschwitz-Prozeß, der für ihn ein Verfahren von herausragender Bedeutung war, gelang es doch hier zum ersten Mal, ein Menschheitsverbrechen auch mit juristischen Instrumenten weitgehend angemessen aufzuarbeiten.

In der abschließenden Bewertung formuliert Balzer: „Als Widersacher des ‚Strafvereitelungskartells‘ (Ingo Müller) aller drei Staatsgewalten gegenüber den Tätern und als Verfechter der ‚Wiedergutmachung‘ gegenüber allen Opfern des Nazi-Regimes, u.a. als Sachverständiger bei drei Anhörungen des Deutschen Bundestages, stellt Düx einen Orientierungspunkt in einer Zeit ohne Leitfiguren für die seit 1968 nachwachsende Generation fortschrittlicher Juristen dar. Als Untersuchungsrichter im Frankfurter Auschwitz-Prozeß und als Vorsitzender Richter am Frankfurter Oberlandesgericht stellt Düx eine Ausnahmeerscheinung der bundesdeutschen Justizszene dar und ist zu einem der wenigen Motoren bei der juristischen Aufarbeitung des deutschen Faschismus geworden.“

Die Dokumentation ist eine empfehlenswerte und spannende Lektüre auch für interessierte juristische Laien.

In: Die Glocke von Ettersberg, 12/2013, S. 9-10



Georg Fülberth In: KONKRET 1/2014, S. 60

50 Jahre Auschwitz-Prozeß: Bei dieser Gelegenheit ist an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer erinnert worden, der nicht ruhte, bis im Frankfurter Haus Gallus einige Täter auf der Anklagebank saßen. Zuweilen wird auch der 1924 geborene Untersuchungsrichter Heinz Düx erwähnt. Für ihn wie für Bauer war der Frankfurter Prozeß keine Fundsache – ebensowenig wie »die Beschützer der willigen Vollstrecker«, seine Kollegen, die irgendwie keine Nazi- und Kriegsverbrecher ausfindig machen konnten, etwa nur zufällig einen blinden Fleck abbekommen hatten. Düx war in der KPD, der SPD, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, schrieb in randständigen linken Blättern und wurde dennoch 1970 Vorsitzender eines Zivilsenats am Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Solche Karrieren waren damals fast nur in Hessen möglich. Sein Senat hatte viel mit Rückerstattungs- und Entschädigungsfragen zu tun. Die juristische Beschäftigung mit den Nazi-Verbrechen und der Einsatz für die Rehabilitierung der Opfer waren seine Lebensthemen. Es führte ihn zu einem zweiten Gegenstand: dem Zustand der westdeutschen Justiz, in der er seine Inneneinsichten eines Außenseiters gewann.

Zum Glück hat Düx das, was er dabei erlebte, aufgeschrieben – in einer Flut von operativen Schriften: Fachartikeln, Gutachten, Referaten bis hin zu Leserbriefen. Dabei gerät er notwendig immer wieder auch aus dem juristischen Feld hinaus, wenn er zeigen muß, was Berufsverbote, Rüstungspolitik, der immer trauriger werdende Zustand der SPD mit der Kontinuität der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland zu tun haben. Nicht ganz nebenbei entsteht eine Art Kommentar zu ausgewählten Artikeln des Grundgesetzes.

Zum Glück hat sich jetzt ein Herausgeber gefunden, der all dies gesammelt hat: fast 1.000 Seiten. Ob sie heute viele Leserinnen und Leser finden werden, muß bezweifelt werden. Macht nichts. Es gibt ja auch eine Zukunft. In ihr wird man wahrscheinlich staunend lesen, welch merkwürdige Kämpfe im vergangenen Jahrhundert geführt werden mußten, um ein paar Nazis vor Gericht zu bringen und einigen – bei weitem nicht allen – der von ihnen Geschundenen ein wenig zu helfen, und daß, wer das tat, notwendig am linken Rand der Gesellschaft landen und bleiben mußte. In deren Mitte war nichts auszurichten.




Es gibt noch Richter in Frankfurt

Von Heinrich Hannover

So hätte man sich die bundesdeutsche Justiz gewünscht. Friedrich-Martin Balzer hat das publizistische Lebenswerk eines Richters herausgegeben und eingeleitet, der gleichrangig neben Fritz Bauer und Richard Schmid genannt werden muß, wenn von demokratisch und antifaschistisch gesinnten Juristen die Rede ist: Heinz Düx, der in der kritischen Auseinandersetzung mit der konservativen Mehrheit seiner Kollegen kein Blatt vor den Mund nahm und deshalb keine Chance hatte, Senatspräsident oder Richter am Bundesgerichtshof zu werden. Aber die Position eines Senatsvorsitzenden am Oberlandesgericht Frankfurt am Main konnte ihm nicht versagt werden. Und dort konnte er in Rückerstattungs- und Entschädigungssachen für Opfer des Naziregimes Recht sprechen, das von vielen seiner Kollegen systematisch gebeugt wurde.

Das umfangreiche Buch mit den Veröffentlichungen dieses vorbildlichen Richters bietet nun einen Einblick in sein kämpferisches und aufklärerisches Wirken. Er war der richtige Mann für die ihm zugedachten Aufgaben als Untersuchungsrichter bei der Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses. Schon dabei lernte Düx erschreckende Innenansichten der bundesdeutschen Justiz kennen, die sich nur widerwillig mit der Wiedergutmachung des NS-Unrechts befaßte.

Das Buch gibt eine lebendige Darstellung der Widerstände und Repressionen, denen ein Jurist ausgesetzt war, der sich gegen den Strom der noch im Denken des vorangegangenen Regimes befangenen Juristenmehrheit stemmte. Düx scheute nicht den Konflikt mit den Beschützern der willigen Vollstrecker und mußte deren öffentliche Beschimpfungen aushalten, wenn er Berufsverbote und andere reaktionäre Staatsaktionen als undemokratisch anprangerte und sich für Verfolgte des Naziregimes einsetzte.

Auch vor Sippenhaft blieb er nicht verschont, als sein Sohn zur Zielscheibe existenzbedrohender Angriffe wurde. Dieser mußte fünf Jahre um seine Anwaltszulassung kämpfen, weil er es als Referendar gewagt hatte, sich als Vertreter eines Strafverteidigers auf Dispute mit Gerichtsvorsitzenden einzulassen. Die Absurdität des Vorwurfs legt die Vermutung nahe, daß es in Wirklichkeit um die stellvertretende Bestrafung des Sohnes für seinen unangepaßten Vater ging. Keine Schwierigkeiten sah der Bundesgerichtshof dagegen bei der Anwaltszulassung eines NS-Richters, der sich als Mörder in Richterrobe betätigt hatte. Begründung: »Die Mitwirkung an einem Todesurteil durch ein Sondergericht an einem Polen ist nicht unwürdig, da der Antragsteller nicht anders konnte.«

Ein weiteres Beispiel für den in den 1960er Jahren in der Justiz herrschenden Zeitgeist: »Im Gespräch über eine Demonstration der 68er, die die Polizei mit Wasserwerfern bekämpft hatte, bemerkte ein Richter am Oberlandesgericht, der später Senatsvorsitzender wurde, Wasserwerfer seien nicht das geeignete Mittel der Bekämpfung solcher Demonstrationen, sondern Flammenwerfer. Das war kein leicht hingeworfenes Effektwort, sondern sein flackernder Blick und seine zitternde Stimme verrieten sein mörderisches Wünschen und Wollen.«

Das Buch bietet auch eine Fülle von Buchbesprechungen, die zu weiterer Lektüre anregen, und lesenswerte kritische Kommentare zum Zeitgeschehen, die in wohltuendem Kontrast zur herrschenden Meinung stehen.

In: Ossietzky. Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, 17. Jg., Nr. 4 vom 1. Februar 2014, S.140-141




Konsequent demokratisch

Der Antifaschist und Ausnahmejurist Heinz Düx wird 90

Es gibt zwei aktuelle Anlässe, .auf Dr. Heinz Düx – seinerzeit Untersuchungsrichter beim Frankfurter Auschwitzprozess, Vorsitzender Richter beim Oberlandesgericht, und ehemals Präsidiumsmitglied der VVN-BdA in der alten Bundesrepublik – besonders hinzuweisen:

Vor kurzem ist ein 980 Seiten starkes Werk von Schriften und Arbeiten aus seiner Feder erschienen

- und am 24. April ist sein 90. Geburtstag.

In vierzig Jahren Justizdienst war Heinz Düx primär mit juristischen Aufarbeitungen der Verbrechen des deutschen Faschismus beschäftigt. Als Untersuchungsrichter beim Frankfurter Auschwitzprozess hatte er wesentlichen Anteil am Zustandekommen dieses Verfahrens. Später, als langjähriger Vorsitzender des Entschädigungssenats des Frankfurter Oberlandesgerichts, waren auch hier Folgen des Naziregimes sein Arbeitsthema.

Fast noch wesentlicher und aussagekräftiger sind seine politischen und publizistischen Arbeiten und Engagements.

Heinz Düx, radikaler Demokrat und Antifaschist, gehörte – zum Teil nur zeitweise, was u.a. seiner Distanz gegenüber Organisationsapparaten entspricht; er selbst nennt seine Organisationszugehörigkeiten »zeitweise Assoziierungen« – u.a. der KPD, der SPD, der Gewerkschaft ÖTV, der VVN und der Vereinigung demokratischer Juristen (VdJ) an; bei den letztgenannten als Präsidiums- bzw. Vorstands- und Gründungsmitglied.

Er engagierte sich ebenso in der Friedensbewegung und in der Protestbewegung gegen die Berufsverbote; er war Mitgründer und Autor der Zeitschrift »Demokratie und Recht«; schrieb Kommentare in der antifaschistischen Wochenzeitung »die tat«, publizierte in weiteren Medien und hielt zahlreiche Vorträge.

Es ist unmöglich, in einem einzigen Artikel die Leistungen dieses »Ausnahmejuristen«, wie Erich Buchholz ihn nannte, mehr als nur ansatzweise zu beschreiben und zu würdigen. Es gibt – neben weiteren Publikationen von und über Heinz Düx – zwei mehr oder minder aktuelle Werke, die viel über ihn aussagen: Da ist einmal der Dokumentarfilm von Heinz Rösing (Bremen): »Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx«, der eindrucksvoll und anschaulich über Lebensabschnitte und Leistungen von Heinz Düx berichtet.

Und es gibt das vor kurzem im Verlag Pahl-Rugenstein erschienene Buch »Heinz Düx:. Justiz und Demokratie«, herausgegeben von Friedrich-Martin Balzer. Es enthält weit über zweihundert Arbeiten von Heinz Düx und gibt damit – insbesondere auch durch das ausführliche Vorwort des Herausgebers Friedrich-Martin Balzer – interessante und aufschlussreiche Einblicke in die vielfältigen Leistungen und das Leben dieses Mannes. Das Buch beinhaltet neben dem Text seiner Dissertation von 1948 u.a. kritische Kommentare zur bundesdeutschen Geschichte, zu den Themen Antifaschis­mus, Frieden, Abrüstung und Entspannung, zum Verfassungsrecht, vor allem auch Beiträge der Justizkritik sowie autobiographische Texte.

Wer Heinz Düx, sein Engagement und seine Ansichten kennenlernen will, wer Näheres und Kritisches über die bundesdeutsche Geschichte und Justiz erfahren will, kann dies alles am besten durch die Lektüre dieses Buches.

Heinz Düx beschränkt sich nicht aufs nur Juristische. Für ihn gehören die gesellschaftlichen Verhältnisse und die politischen Entwicklungen immer dazu. Dabei lässt er Zusammenhänge und Ursachen nicht außeracht – und weicht auch nicht der Frage aus, wie man die Dinge möglicherweise verändern könnte.

Heinz Düx hat eine einnehmend freundliche Art. Wenn er sich mit politischen Entwicklungen und Ereignissen befasst, ist er jedoch keineswegs zurückhaltend. Er nennt die Dinge beim Namen, legt den Finger auf die Wunde. Wenn er etwas erforscht und erkannt hat, vertritt er, ohne rechthaberisch aufzutreten, nachdrücklich seinen Standpunkt, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile für ihn.

Im deutschen Justizapparat war er eine Besonderheit, eine rühmliche Ausnahme – und nicht bei allen Teilen der Justiz und der Gesellschaft beliebt, schon gar nicht bei der der herrschenden Politik. Die hessische CDU versuchte in den siebziger und achtziger Jahren zweimal, die Entlassung von Heinz Düx aus dem Justizdienst zu erreichen; erfreulicherweise ohne Erfolg.

Er ist auch heute noch, soweit Alter und Gesundheitszustand es ihm erlauben, gelegentlich unterwegs, an politischen Debatten und Ereignissen immer interessiert – und vielerorts ein gern gesehener Gast und willkommener Gesprächspartner.

Heinz Düx im Dokumentarfilm »Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx« von Wilhelm Rösing 2011.

Justiz und Demokratie. Anspruch und Realität in Westdeutschland nach 1945, 980 Seiten, 39,99 EUR P. C. Walther

In: antifa, Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur, März/April 2014, S.19




Ein Richter stellte sich quer

Von Ludwig Elm

Heinz Düx wird am 24. April 2014 neunzig Jahre alt. Wenige Monate vorher legte Friedrich-Martin Balzer eine umfassende Sammlung wissenschaftlicher, juristischer und politischer Texte von ihm vor. Düx hatte das 1944 begonnene Jurastudium wegen Kriegseinsatzes abbrechen müssen. Er setzte es nach dem Krieg bis zu den Abschlüssen als Referendar und Assessor fort. Vorübergehend als Assessor und Rechtsanwalt in einem Frankfurter Anwaltsbüro (1951-1954) und dann über ein Berufsleben lang als Richter war er mit der Bewältigung von Rechtsfolgen der faschistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges befaßt: Beauftragter Richter und Landgerichtsrat in Darmstadt und Frankfurt am Main; ab 1961 Untersuchungsrichter beim Landgericht Frankfurt für KZ- und Euthanasieverbrechen; Richter am Oberlandesgericht Frankfurt seit 1966, darunter im Rückerstattungs- und Entschädigungssenat, dessen Vorsitzender er von 1970 bis zur Pensionierung 1989 war. Bis Ende der neunziger Jahre war er mehrfach Sachverständiger in Anhörungen zu Wiedergutmachungsfragen im Deutschen Bundestag.

Teils zeitweilig, teils länger gehörte Düx der KPD bzw. SPD, der ÖTV (Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), der VVN-BdA und der Vereinigung demokratischer Juristen an. Ungeachtet verschiedener Mitgliedschaften, bemerkt Balzer, »bleibt Düx ein Einzelkämpfer [...] Für Düx ist eine Organisationszugehörigkeit keine dauerhafte politische Heimat, sondern eine zeitlich begrenzte Operationsbasis« (17). Sowohl die politischen Bindungen als auch sein entschieden demokratisches und antifaschistisches Rechtsdenken weisen ihm eine Ausnahmestellung in der bundesdeutschen Richterschaft der Nachkriegsepoche zu. Seine umfangreiche Publizistik war darauf gerichtet, diese Positionen gegen mächtige herrschende ideologische und rechtspolitische Strömungen in die öffentliche Meinungsbildung einzubringen.

In seiner Einführung skizziert der Herausgeber berufliche Stationen und thematische Wirkungsgebiete des Richters, Autors und Redners – eingeschlossen Erfolge, Verbündete und Widersacher sowie Anfeindungen. Der Hauptteil des Buches ist in drei Teile untergliedert.

Im Teil 1 »Anfang und Ende« finden sich die Dissertation von 1948 sowie ein »Rückblick nach mehr als 50 Jahren«. Die Dissertation von Januar 1948 wird mit diesem Band erstmals veröffentlicht: »Die freie Gewerkschaftsbewegung, ihr Wesen und ihr Einfluß auf die Rechtsentwicklung von der Gründung bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges« (31-118). Sie ist eine informative und lesenswerte Darstellung zur Herausbildung der gewerkschaftlichen Stränge der Arbeiterbewegung und des von ihr erkämpften Platzes nach 1848/49 sowie in der politischen und Rechtsordnung des Kaiserreiches. Der Autor erörterte den geschichtlichen Streit zwischen Liberalismus und Sozialismus um den Weg und Platz der Arbeiterschaft, den wachsenden intellektuellen und politischen Einfluß des Marxismus, die organisatorischen Formen der Herausbildung der Gewerkschaften sowie die letztlich erhebliche »rechtsgestaltende Wirkung der freien Gewerkschaften«. Damalige Schlußbetrachtungen von Düx lassen subjektive Ausgangspositionen für sein späteres Wirken erkennen: »Das Recht ist nur in Verbindung mit der Sozialwissenschaft wissenschaftlicher Betrachtung fähig, denn die abstrakten, vom Sozialleben losgelösten Rechtsnormen sind im Grunde nur eine Utopie« (114). Der größere Teil rechtsgeschichtlicher Arbeiten abstrahiere das Recht von seiner sozialen Grundlage. Jedoch: »Veränderte Produktionsmethoden ergeben neue sozialpolitische Ideen. Diese wiederum drängen auf eine Veränderung der Rechtsnormen. In dem Maße, wie sich die Produktionsmethode ändert, nimmt auch das Recht eine andere Gestalt an« (115).

In seinem »Rückblick« (119-174), einem 2004 ebenfalls von F.-M. Balzer veröffentlichten Essay, mit der Überschrift »Die Beschützer der willigen Vollstrecker. Persönliche Innenansichten der bundesdeutschen Justiz«, erinnert Düx an Stationen und Beispiele der faschistischen Massenmorde im Zweiten Weltkrieg, vorbereitet im Rassismus und Antisemitismus lange vor und forciert nach 1933. Die Ausgangssituation von 1945 ließ die Schwierigkeiten und Gefährdungen eines wirklichen Neubeginns erkennen, zu denen bald verschärfend die westdeutsche Restauration und der Kalte Krieg kamen. Düx bietet als Insider einen Exkurs zu bundesdeutscher politischer und Rechtsgeschichte im Umgang mit einer barbarischen Vergangenheit und ihren Hinterlassenschaften. Der letzte Abschnitt lautet: »Der Kampf um eine umfassende juristische Bewältigung der NS-Vergangenheit ist weitgehend vergeblich« (S. 170).

Teil II umfaßt mehr als fünfzig Artikel, Referate und Kommentare von 1958 bis 2013 aus Fachzeitschriften, Sammelbänden, Zeitungen, Protokollen von Tagungen und parlamentarischen Anhörungen. Es geht um ein breites Themenspektrum: Auslegungen des Bundesrückerstattungsgesetzes und des Bundesentschädigungsgesetzes; Verjährung von NS-Gewaltverbrechen; fragwürdige Argumente, Entscheidungen und Urteile zugunsten von NS-Tätern; andauernde Diskriminierung der Sinti und Roma; antifaschistischer Inhalt der Charta und von Resolutionen der UNO; Naziverbrechen in Polen; Wannsee-Konferenz 1942, die Vernichtung der Juden und die Leugnung von Auschwitz; Euthanasieverbrechen und Zwangsarbeit; Nürnberger Prozeß 1945/46; Defizite der Wiedergutmachung sowie jahrzehntelange Diskriminierung von NS-Verfolgten und -Opfern, darunter Deserteure und Kriegsdienstverweigerer; Wirkung des Auschwitz-Prozesses; Schonung der Nazi-Juristen. Viele Beiträge erschienen in der antifaschistischen Wochenzeitung »die tat« und erinnern damit an deren Verdienste um die NS-Opfer und bei der Kritik an Verbleib und Karrieren von Tätern. Eine Erstveröffentlichung zum Themenkreis Euthanasie-Morde findet sich in literarischer Form: »Schloß Hartheim. Eine deutsche Begebenheit auf österreichischem Boden. Drama in 3 Akten« (265-288).

In Teil III finden sich zeitgeschichtlich angelegte Artikel, Referate, Kommentare, Interviews, Zuschriften etc. Die rund 150 Beiträge sind nach Stichworten geordnet: Kritischer Kommentator der bundesdeutschen Geschichte, Antifaschismus, Für Frieden durch Abrüstung und Entspannung, Verfassungsrecht, Zur deutschen Frage, Vereinte Nationen und Menschenrechte, Justizkritik, Portraits, Autobiographische Texte. Weitere Abschnitte sind nach den Bezügen zu Artikeln des Grundgesetzes gruppiert.

Bewegend sind die Portraitskizzen über den Strafverteidiger der Roten Hilfe, Hans Litten (1903-1938), den Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) und Hermann Langbein (1912-1995) als persönliche wie kollegiale Würdigungen ihrer Wege im politischen und Rechtsstreit gegen faschistische Menschenverachtung und Mordlust, für die Belange der Verfolgten und Opfer von den zwanziger bis in die neunziger Jahre. Am 28. Februar 1933 in »Schutzhaft« genommen, starb der mutige Nazigegner Litten am 5. Februar 1938 im KZ Dachau. Der von den Nazis verfolgte und emigrierte Fritz Bauer, so Düx, sei der einzige Generalstaatsanwalt aller Bundesländer, der »einen historisch relevanten Platz« einnehme: »Bauers Ermittlungsarbeit in Ansehung der NS-Gewaltverbrechen bewirkte, daß die Welle der Täterbegünstigung während der fünfziger Jahre von einflußreichen Kräften in Staat und Gesellschaft nicht in der Weise genutzt werden konnte, die Verfolgung von NS-Massenverbrechen gänzlich zum Erliegen zu bringen« (S. 906). Der österreichische Kommunist und Spanienkämpfer Hermann Langbein wurde 1939 in Frankreich interniert, 1941 an Deutschland ausgeliefert und kam über das KZ Dachau nach Auschwitz. Er war Mitbegründer und erster Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees. Düx hatte ihn als Zeugen im Auschwitz-Prozeß kennengelernt, der betroffene Opfer unterstützte, später über den Prozeß eine Dokumentation veröffentlichte sowie sich für Entschädigungsleistungen an NS-Verfolgte engagierte.

Persönliches in den autobiographischen Texten des Teils III (915-951) ergänzt und bestätigt Einschätzungen der vorangegangenen Jahrzehnte. Ein Auszug aus einem Interview mit dem »Frankfurter Landgerichtsboten« von 1989 möge das illustrieren: »Frage: Stimmt es Ihrer Meinung nach, daß es nach dem Krieg oft nicht ratsam war, sich als ehemaliger KZ-Häftling oder Widerstandskämpfer zu erkennen zu geben? Düx: Als die Betreuungsstellen gegründet wurden, unmittelbar nach 1945, da konnte man so etwas noch vorbringen. Aber als dann drei, vier Jahre ins Land gegangen waren, war das schädlich. Die Leute, die im Widerstand gewesen waren, die waren eigentlich nicht gefragt. Es gab auch viele, die haben das geheim gehalten, die gaben sich gar nicht zu erkennen. Genauso ist das bei den Juden gewesen. Das ist heute noch so« (929).

In einem »Nachwort« von 2011 (Erstveröffentlichung) und veranlaßt von Diskussionen zu dem im gleichen Jahr fertig gestellten Dokumentarfilm über Düx »Der Einzelkämpfer« äußerte Düx am Ende einer Rückbesinnung: »Wie in fast allen Lebenssituationen kommt man rückschauend häufig zu dem Ergebnis, daß man alles noch nachhaltiger hätte erledigen können, aber die Kontinuitäten zwischen dem deutschen Nachkriegsstaat und seinem faschistischen Vorgänger waren doch ein arges Hindernis für bessere Ergebnisse« (947).

Die nach ihrer Bestimmung und Natur sehr verschiedenartigen Beiträge von Düx aus mehr als sechs Jahrzehnten verbinden antifaschistisches Wissen und Wollen mit der Kompetenz und fachlichen Präzision des Juristen, argumentative Folgerichtigkeit mit einem weiten geschichtlichen und gesellschaftspolitischen Horizont. Balzer resümiert: »Düx stellt zusammen mit dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) eine singuläre und irreguläre Erscheinung von historischem Rang dar, die aufgrund ihres berufsbezogenen Engagements in Praxis und Theorie einen relevanten Platz in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte nach 1945 einnimmt« (28). Diesem Urteil des vermutlich besten Kenners von Lebensweg und Leistung des Heinz Düx schließt sich der Rezensent nachdrücklich an und fügt hinzu: Mit dieser Charakteristik ist zugleich das Verdienst des Herausgebers um die vorliegende Veröffentlichung gewürdigt. Es ist zu wünschen, daß möglichst viele – darunter insbesondere juristisch und politisch Engagierte sowie jüngere historisch Interessierte – sich dieser reichen Quelle an Tatsachen, Argumenten und schlüssigen Folgerungen aus Leben und Kampf eines mutigen Demokraten zuwenden. Es gilt, sie für das Wissen um die Geschichte der bundesdeutschen Justiz, die Realität wirklicher oder bloß behaupteter Rechtsstaatlichkeit sowie das Verhältnis der politischen Führungskreise der Bundesrepublik zur jüngsten Geschichte zu erschließen. 10.765 Zeichen

In: Marxistische Blätter 2/2014, S. 133-136



Werner Röhr

Solche aufrechten demokratischen Juristen wie Heinz Düx gab und gibt es in der Bundesrepublik nur sehr, sehr wenige. Die westdeutsche Justiz behinderte ihn auf Schritt und Tritt und duldete ihn überhaupt nur, weil es ihr nicht gelang, ihn aus seiner Dienststellung zu entfernen. Das hatte die CDU im hessischen Landtag zweimal versucht, 1975 und 1982 hatte sie ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Amtsenthebung gegen ihn angestrengt, vergeblich.

Düx ist Jahrgang 1924. Weil er nicht wehrtauglich war, konnte er 1942-1948 in Marburg Jura studieren, unterbrochen durch eine Arbeitsverpflichtung 1944/45 im Bahnbetriebswerk Marburg. Vor der Zwangsverpflichtung zum Volkssturm versteckte er sich im Vogelbergkreis. Nach der Befreiung vom Faschismus gehörte er mit Werner Krauss und Joachim Grunau zum Entnazifizierungsausschuß der Juristischen Fakultät der Universität Marburg. 1948 promovierte er mit einer Arbeit über den Einfluß der freien Gewerkschaftsentwicklung auf die Rechtsentwicklung des Deutschen Reiches bis 1914. Diese Arbeit ist in der von Friedrich-Martin Balzer besorgten Sammlung seiner Schriften erstmals abgedruckt.

Seit Beginn seiner Tätigkeit als Anwalt 1950 bzw. als Richter 1954 im hessischen Justizdienst war Düx bis zu seiner Pensionierung 1989 mit der Verfolgung von Verbrechen der deutschen Faschisten und mit der Entschädigung ihrer Opfer befaßt. Als Untersuchungsrichter in politischen Strafsachen beim Landgericht Frankfurt/Main bereitete er von 1960 bis 1963 mit Fritz Bauer den Auschwitzprozeß vor, anschließend für den von Bauer geplanten Prozeß gegen „Euthanasie“-Verbrecher den Teil Hartheim.

1970 wurde Düx zum Vorsitzenden eines Zivilsenats am Oberlandesgericht Frankfurt/Main berufen, dieser Senat war vorwiegend mit Rückerstattungs- und Entschädigungsfragen beschäftigt. Düx war einer der besten Spezialisten auf diesem Gebiet und ein unermüdlicher Widersacher jenes „Strafvereitelungskartells“ aller drei Staatsgewalten, das die westdeutsche Justiz beherrschte. Und er war ein entschiedener Verfechter einer „Wiedergutmachung“ gegenüber allen Opfern des Naziregimes. Bei drei Anhörungen des Deutschen Bundestages/Innen- bzw. Rechtsausschuß zu diesen Fragen wurde er 1987, 1989 und 1995 als Sachverständiger gehört; seine Gutachten und Stellungnahmen sind in der Sammlung enthalten.

Die vom Herausgeber Friedrich-Martin Balzer gesammelten Schriften des Richters umfassen Arbeiten aus drei Sachbereichen, einmal aus seiner Tätigkeit als Untersuchungsrichter bei der Vorbereitung des vom hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer durchgesetzten Auschwitzprozesses, zweitens aus seinen Publikationen zu Problemen der Entschädigung der Naziopfer und drittens politisch-juristische Publizistik.

Während die Mitwirkung von Düx am Frankfurter Auschwitzprozeß (1963-1965) bereits mit dessen offizieller Eröffnung 1963 abgeschlossen war, wäre die Eröffnung des Prozesses ohne seine Arbeit als Untersuchungsrichter kaum möglich gewesen. Dieser Prozeß hat maßgeblich dazu beigetragen, daß das Schweigen über die Wehrmachts- und Naziverbrechen in der westdeutschen Öffentlichkeit durchbrochen werden konnte. Gegen welche massiven justizinternen Versuche, den Prozeß zu verhindern, und nachdem das gescheitert war, ihn zu behindern, Bauer und seine Mitarbeiter zu kämpfen hatten, verdeutlichen mehrere Beiträge des Bandes.

Nach dem Auschwitzprozeß bereitete Fritz Bauer einen Prozeß zur Aufklärung der „Euthanasie“-Verbrechen vor, für den Düx ebenfalls als Untersuchungsrichter tätig wurde. Er ermittelte gegen die Mörder von psychisch Kranken und KZ-Häftlingen in der Heilanstalt Hartheim in Österreich. Nachdem Bauer 1968 überraschend gestorben war – die Todesursache ist bis heute nicht aufgeklärt – wurden die Vorbereitungen eingestellt. Außer juristischen und publizistischen Texten von Düx zu diesem Gegenstand enthält der Band auch ein hier erstmals veröffentlichtes Drama, in dem Düx die Mörder in Arztkitteln von einem internationalen Gericht zum Tode verurteilen läßt.

Die reichliche Hälfte seiner gesammelten Schriften handelt von seinem Kampf für die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des deutschen Faschismus. Diese Texte analysieren den Auschwitzprozeß und seine Wirkungen, die „Euthanasie“-Verbrechen, die verweigerte Anerkennung und Entschädigung der Opfer der Sinti und Roma, die verweigerte oder dilatorische Behandlung der Entschädigung der ausländischen Zwangsarbeiter, die Abweisung der Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung der Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“ und weitere Aspekte des Gegenstandes. Sie überzeugen durch begriffliche Schärfe, sprachliche Klarheit und radikale antifaschistische Bewertung, getragen von der umfassenden Sachkenntnis eines Insiders, der Lügen, Halbwahrheiten und bürokratische Feigheiten seiner Kollegen beiseite schiebt.

Düx war nicht nur Ermittler und Richter. Er war und ist auch ein bestechender politischer Publizist und das nicht nur dort, wo er Justizkritik übt. Der Band enthält mehrere Kapitel mit kritischen Kommentaren zur bundesdeutschen Geschichte. Sie betreffen Kontinuitäten der deutschen bürgerlichen Justiz, die Entwicklung der Notstandsgesetze, das Widerstandsrecht, den Umgang mit Antifaschisten in der BRD, den Nürnberger Prozeß. Sie behandeln die Ostpolitik und die Entspannung, sie analysieren das geschriebene und das praktizierte Verfassungsrecht und nach wie vor unerfüllte juristische Verfassungsaufträge. Und sie entfalten zahlreiche Facetten einer Justizkritik, wie sie nur ein eingeweihter Kenner der Justiz der BRD üben kann.

Ein wesentlicher Komplex dieser Publizistik betrifft die Deutschlandpolitik der BRD. Hier zeichnet sich Düx durch außergewöhnliche Scharfsichtigkeit aus, so liefert er eine vorzügliche Analyse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1973 zum Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD, die ihresgleichen sucht. So diagnostizierte er anhand alltäglicher massenhafter Verhaltensweisen die tendenzielle Herausbildung zweier deutscher Nationen in den Jahrzehnten ihrer je eigenen Entwicklung. Düx läßt sich seinen klaren politischen Blick weder von den offiziellen Lügen und Sprachregelungen der Regierung noch von der Massenverdummung durch öffentlich-rechtliche Medien vernebeln, er analysiert nüchtern die Tatsachen. Und er spricht seine Diagnosen im Klartext und zieht historische Vergleiche und Parallelen, die irregeführten oder verblendeten Lesern die Augen öffnen könnten, so sie denn den Mut zum Erkennen aufbringen. Die Lektüre seiner kritischen politischen Kommentare erneuert und vertieft Einsichten in Knotenpunkte, Widersprüche und Entwicklungen dieser Bundesrepublik. Vielleicht ruft sie außer Freude und Genugtuung an dieser Kritik bei manchem Leser auch jenen moralischen Mut hervor, dessen Fehlen Düx bei den „Richterspießern“ so sehr beklagt.

Mit Wolfgang Abendroth und Helmut Ridder gründete Heinz Düx die Zeitschrift „Demokratie und Recht“, er war ihr ständiger Autor und von 1973-1992 ihr Mitherausgeber. Die meisten politischen Texte veröffentlichte Düx in der antifaschistischen Wochenzeitung „Die Tat“, ausführlichere Analysen in Sammelbänden und im „Bulletin des Fränkischen Kreises“.

Der Herausgeber entschied sich für eine vollständige Sammlung der Arbeiten von Heinz Düx. Er nahm wissenschaftliche, publizistische und literarische Texte auf. Das Buch enthält selbst Leserbriefe und ein Drama, literarische Porträts von Kollegen und autobiographische Texte. Balzers Prinzip der Vollständigkeit führte zur Dickleibigkeit des Bandes und unvermeidlich auch zu so manchen Wiederholungen. Doch diese sind verkraftbar. Balzer, der bereits 2004 die Schrift von Düx „Die Beschützer der willigen Vollstrecker. Politische Innenansichten der bundesdeutschen Justiz“ herausgegeben hatte, setzt nun mit diesem Band Heinz Düx ein literarisches Denkmal. Denkmäler sind statisch und können langweilig sein. Dieses Buch aber ist spannend, stellenweise fesselnd und es ist lebendig, weil sein Autor kämpferisch ist. In Parenthese sei bemerkt, daß Wilhelm Rösing im Jahre 2011 einen Film über Düx gedreht hat: „Der Einzelkämpfer. Richter Heinz Düx.“ Der Filmtitel verweist auf ein Doppeltes, auf die lebenslange Isolierung des aufrechten Demokraten innerhalb seiner Kollegen und auf die jeweils nur zeitweilige Bindung des Richters an eine politische Partei.

In: Jahrbuch für Erforschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. 13. Jg., 2014



Er war Untersuchungsrichter im Auschwitzprozeß

Würdigung eines Würdigen: Heinz Düx zum 90. Im April wird Heinz Düx 90 Jahre alt

Von Ernst Heinz

Mehr als zwei Drittel seiner Lebensjahre – nicht weniger als 68 – widmete er der Entlarvung deutsch-faschistischer Verbrechen, ihrer juristischen Bewältigung und der Rehabilitierung ihrer Opfer. Die gesammelten Schriften dieses engagierten Mannes hat Dr. Friedrich-Martin Balzer unlängst bei Pahl-Rugenstein heraus-gebracht.

Geboren in der Familie eines Marburger Mechaniker-Meisters, wegen Lungen-krankheit nicht zur faschistischen Wehrmacht eingezogen, studierte Heinz Düx in den ersten Jahren nach 1945. Er arbeitete als Anwalt, Richter und Sachverständiger, gehörte zeitweilig der KPD an, war Gewerkschafter, SPD-Mitglied, vor allem aber in der VVN/BdA und der Vereinigung demokratischer Juristen aktiv. Immer wieder trat er an die Öffentlichkeit – sowohl, um Nazi-Richter und -Staatsanwälte, die in der BRD-Justiz wieder aktiv wurden, zu demaskieren, als auch, um die Frage zu beantworten: Was für ein Staat ist die BRD? Er entlarvte den Mythos von der Fortexistenz des Deutschen Reiches und erklärte: Über eine natürliche Person, die sich mit einem verblichenen Massenmörder zu identifizieren wünsche, könne man nur den Kopf schütteln. Daher sei es unbegreiflich, wie ein neugegründeter Staat für sich in Anspruch nehme, der Rechtsnachfolger einer faschistischen Diktatur zu sein, deren hervorstechendstes Merkmal die Begehung von Völkermord gewesen sei.

Ob als Untersuchungsrichter im Auschwitz-Prozeß oder bei der Aufklärung der Euthanasie-Verbrechen, als Sachverständiger im Entschädigungssenat – Heinz Düx stritt überall für die juristische Verfolgung der Schuldigen und die Rehabilitierung ihrer Opfer. Angefeindet von den Wortführern der Reaktion, auf CDU-Antrag mit Disziplinarverfahren überzogen, kämpfte er, der 1970 Vorsitzender eines Zivilsenats am Oberlandesgericht Frankfurt am Main wurde, standhaft gegen die bundesdeutsche Berufsverbotspraxis, die Diskriminierung von Wehrdienstverweigerern und die Verfolgung von Mitgliedern der illegalisierten KPD. Er wurde so zu einer Ausnahmeerscheinung unter Juristen der BRD. Scharf kritisierte Heinz Düx auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die DDR nicht als Ausland zu gelten habe. Er verglich die Behandlung von Naziverbrechern und deren Karrieren in der BRD mit ihrer Aburteilung in der DDR.

Die Gesammelten Schriften von Heinz Düx enthalten einleitend eine bewegende Würdigung dieses Verteidigers demokratischer Rechte und aufrechten Antifaschisten durch den renommierten Herausgeber Friedrich-Martin Balzer. Es folgen seine Veröffentlichungen zur juristischen Aufarbeitung der Naziverbrechen, kritische Kommentare zur Geschichte der BRD, Äußerungen zur Friedenspolitik und zum Völkerrecht sowie autobiographische Texte.

Alles in allem: ein hochinteressanter Rückblick, der zugleich brandaktuell ist.

In: RotFuchs 4/2014, S. 16